Freimachen, bitte!

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Alkoholfreies Bier als Notlösung für Autofahrer – das war mal. Das Standing des Alkoholfreien hat sich nämlich grundlegend gewandelt. Wir haben nachgefragt, woran das liegt und was die Brauereien tun, um das Potential des Marktes voll auszuschöpfen.

Die Entscheidung für ein Alkoholfreies war früher doch meistens, sind wir uns ehrlich, von der Situation erzwungen. „Alkoholfreies Bier diente lange Zeit vor allem den Autofahrern und war ein Nischenprodukt“, berichtet Hirter-Eigentümer und -Geschäftsführer Niki Riegler. Auch die Auswahlmöglichkeiten an verschiedenen Produkten gestalteten sich bis vor wenigen Jahren eher bescheiden. Dann jedoch hat ein grundlegender Wandel stattgefunden, und zwar in mehrfacher Hinsicht. „Die Lebensgewohnheiten und auch das Gesundheitsbewusstsein der Menschen haben sich geändert“, so Riegler. Auch Stiegl-Chefbraumeister Christian Pöpperl meint: „Die Bedeutung eines gesunden Lebensstils mit sportlichen Aktivitäten und bewussterem Alkoholkonsum sorgen seit einigen Jahren für eine deutlich gesteigerte Nachfrage nach alkoholfreien Getränken.“ Und das hat auch einen Imagewandel von alkoholfreiem Bier mit sich gebracht. Markus Betz, Category Manager Beer bei Ammersin: „Der Stellenwert des Themas ist heute ein gänzlich anderer. Kurz: AF-Bier hat sich weg vom Stiefkind hin zu einem Segment mit dezidierter Nachfrage und hoher Qualität gewandelt.“ Mehr noch: „Bei alkoholfreiem Bier gab es eine Entwicklung weg vom Autofahrerbier hin zu einem Lifestylegetränk“, so Tobias Frank, GF und 1. Braumeister der Ottakringer Brauerei, die 1992 mit „Null Komma Josef“ Österreichs erstes alkoholfreies Bier eingeführt und kürzlich mit dem alkoholfreien „Ottakringer Radler Zitrone Minze“ für Abwechslung gesorgt hat. Rudolf Damberger, Marketingleiter der Privatbrauerei Zwettl, die am Markt mit dem „Zwettler Luftikus“ vertreten ist, stellt außerdem fest: „Alkoholfreie Biere haben sich auch als Speisebegleiter durchaus emanzipiert. Aber auch nach dem Sport ist alkoholfreies Bier mit seiner isotonischen Wirkung eine gute Wahl.“ In der Brau Union hat man die Biertrink-Gewohnheiten der Österreicher seit über einem Jahrzehnt durch jene Studie, die dem Bierkulturbericht zugrunde liegt, ebenfalls genau im Blick. Die Daten sprechen Bände: Seit Jahren ist die Zahl der Österreicher, die alkoholfreies Bier trinken, im Steigen begriffen. Gabriela Maria Straka, Director Corporate Affairs und CSR bei der Brau Union Österreich: „Mittlerweile ist es ‚gesellschaftsfähig‘ zu jeder Tageszeit mit alkoholfreiem Bier anzustoßen.“ 

Upgrade.

Möglich wurde dieser Imagewandel aber natürlich nur, weil auch in Sachen Qualität vielerorts ein Quantensprung passiert ist. Die Brauereien haben hier viel experimentiert und in neue Technologien investiert, dank derer der Qualitätslevel von Alkoholfreiem nicht mehr mit den Produkten von früher vergleichbar ist. Bei Stiegl etwa hat man kürzlich in eine topmoderne Entalkoholisierungs-Anlage investiert, mit der Biere sowie Biermischgetränke mit 0,0% Alkohol hergestellt werden können. Was insofern etwas Besonderes ist, als in Österreich ein Alkoholgehalt von bis zu 0,5% als alkoholfrei gilt und auch so deklariert werden darf. Das war Stiegl jedoch nicht genug, und somit produziert man auf der neuen Anlage seit Kurzem das „Stiegl 0,0% Freibier“ sowie „Stiegl 0,0% Zitrone“.

Nullnummer.

Auch in der Brauerei Wieselburg hat man sich mit den Methoden rund um 0,0% intensiv beschäftigt und eine einzigartige Technologie entwickelt, mit der dem Bier der Alkohol auf schonende Weise entzogen wird. Das Ergebnis: „Wieselburger 0,0%“, das ausgewogen schmeckt, mit einem frischen Hopfenaroma und einer wenig intensiven Bittere. Die Brau Union bedient den Trend zu Alkoholfreiem aber natürlich auch mit ihren weiteren Marken. So steht etwa auch „Puntigamer“ seit kurzem in der Variante „Pr0,0st“ zur Verfügung. Bei den Radlern sorgt man ebenfalls für ein entsprechendes Angebot, z.B. mit der Sommer-Edition „Gösser NaturRadler 0,0% Himbeer-Rhabarber“ – naturtrüb und leuchtend himbeerfarben.

Methoden.

Bei Ammersin, wo man im Bereich alkoholfreier Produkte etwa das „Loncium FreePA“, das „Jakobsgold Alkoholfrei“ oder die „Rampensau“ von BrewAge anbietet, erzählt man ebenfalls von enormen Fortschritten in der Herstellung, die zu einer Qualitätssteigerung der Produkte geführt haben. Markus Betz: „Die technologischen Erkenntnisse haben auf jeden Fall zur positiven Entwicklung des Themas beigetragen, wodurch auch die Geschmackskomponente irrsinnig gewonnen hat.“ Betz berichtet etwa von speziellen Hefezüchtungen, die keinen bzw. wenig Alkohol produzieren. „Auch das Dry-Hoping, also das Hopfenstopfen der Biere, hilft den Biergeschmack auf ein neues Level zu heben“, so Betz.

Thema.

Um die Nachfrage nach Alkoholfreiem weiter zu forcieren, spielen entsprechende Produkte natürlich auch in der Kommunikation der Brauereien mittlerweile eine bedeutende Rolle. „Wir sorgen mit Aktionen dafür, das Sortiment noch attraktiver zu machen“, berichtet beispielsweise Markus Betz von Ammersin. Auch für eine alkoholfreie Online-Verkostung des Unternehmens gab es kürzlich viel positives Feedback. Ottakringer hat hingegen den vergangenen Januar zum „Null Komma Jänner“ erklärt und in seiner Werbekampagne dazu aufgerufen, im ersten Monat des Jahres komplett auf Alkohol zu verzichten – als Brauerei ein durchaus spannender Schritt, der das Gewicht des Themas einmal mehr verdeutlicht.

Wächst.

Und wie macht sich all das nun am Markt bemerkbar? 2019 war bei alkoholfreiem Bier lt. Verband der Brauereien Österreichs ein Zuwachs von 11,2% zu verzeichnen. Stiegl-Chefbraumeister Christian Pöpperl berichtet, dass der Trend zu Alkoholfreiem europaweit spürbar ist: „Die Produktionsmenge hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt.“ Das Ende der Fahnenstange ist wohl – auch angesichts der zahlreichen Neuheiten, mit denen die Brauereien hier weitere Impulse setzen – noch lange nicht erreicht.