Für die Schoki von morgen

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Die Menschheit will Schokolade. Und zwar immer mehr. Dies stellt insbesondere die Kakaobauern als schwächstes Glied der Lieferkette vor große Herausforder­ungen. Es gilt, nicht nur die eigene Existenz, sondern auch die künftigen Rohstoffmengen zu sichern.

Schokolade macht glücklich. Den Konsumenten ebenso wie angesichts vernünftiger Margen üblicherweise Handel und Markenartikler. Weniger zufrieden sind jedoch in vielen Fällen die Landwirte, die den dafür allerwichtigsten Rohstoff liefern: den Kakao. Das Problem beginnt hier: „Kakao wird hauptsächlich in Ländern produziert, die durch schwierige Lebensbedingungen geprägt sind“, beschreibt ein Sprecher von Lindt & Sprüngli die Situation. Gerhard Schaller, GF Niemetz Schwedenbomben/Heidi Chocolat, ergänzt: „Kakaobohnen sind ein begehrtes Gut, dennoch leben viele Kakaobauern an der Schwelle zur Armutsgrenze.“ 2017 ist der Weltmarktpreis für Kakao um mehr als ein Drittel eingebrochen.

Ertrag sichern.

Die schwankenden Preise stellen für die Bauern eine echte Existenzbedrohung dar. Aber auch direkt in den Plantagen ist es in den letzten Jahren nicht gerade einfacher geworden: Vielerorts findet man hauptsächlich alte Kakaobäume, die keinen vernünftigen Ertrag mehr liefern, jedoch fehlt den Bauern das Geld, um die Pflanzen zu ersetzen. Und auch der Klimawandel ist im Kakaobereich spürbar. Denn in jenen wenigen Ländern entlang des Äquators, wo Kakao wächst, wird es immer trockener und es ist ungewiss, wie lange unter diesen Bedingungen Kakao­pflanzen gedeihen können. Gefragt sind deshalb auch trockenresistentere Pflanzen, nach denen im Moment intensiv geforscht wird. Insgesamt stehen die Kakaobauern also vor einer ganzen Liste an Herausforderungen und entsprechend schwer ist es deshalb auch, die nächste Generation davon zu überzeugen, den Kakaoanbau fortzusetzen. Die Folge: „Bereits im Jahr 2020 könnte die globale Kakaonachfrage die verfügbare Liefermenge sogar um über eine Mio. Tonnen übersteigen“, so Franziska Zehetmayr, Corporate Affairs Director bei Mars Austria. Nachhaltigkeit ist also auch in diesem Fall keine „gute Tat“, sondern schlicht für die Fortsetzung der Geschäfte nötig. An erster Stelle der To do-Liste und als Hebel für weitere Verbesserungen steht dabei die Verbesserung der Einkommen und der wirtschaftlichen Sicherheit der Landwirte. Die Schokoladenhersteller setzen hier auf unterschiedliche Weise an.

Fair.

Bei „Heidi“ bzw. „Niemetz“ hat man sich etwa für eine Zusammenarbeit mit Fairtrade entschieden und alle Produkte, die in Wiener Neudorf produziert werden, auf das Fairtrade-Kakaoprogramm umgestellt. Das waren neben den „Niemetz Schwedenbomben“ auch „Manja“ und „Swedy“ sowie Teile des „Heidi“-Sortiments. Laufend kommen neue Produkte mit Fairtrade-Siegel hinzu – heuer gibt es erstmals auch „Niemetz“-Osterprodukte mit Fairtrade-zertifiziertem Kakao.

Zertifiziert.

Bei Manner setzt man, was die Marke „Casali“ angeht, ebenfalls auf Fairtrade, bei den „Manner“-Produkten arbeitet man mit UTZ zusammen. „Außerdem haben wir uns verpflichtet, bis 2020 unseren gesamten Schokoladebedarf für unsere Marken auf nachhaltigen Kakao umzustellen“, schildert Dr. Alfred Schrott, Manner-Vorstand für Marketing & Vertrieb.

Partner.

Die Ludwig Schokolade arbeitet als zertifizierter Partner mit „UTZ“ und „Fairtrade“ zusammen, bezieht also einen Teil ihrer Rohstoffmengen aus entsprechend zertifizierten Quellen, und verweist außerdem auf die Mitgliedschaft im Forum Nachhaltiger Kakao, in dem auch zahlreiche andere Süßwarenhersteller vertreten sind.

Selbst.

Neben bekannten Siegeln wie Fair­trade oder UTZ haben zahlreiche Hersteller die Sicherung nachhaltigen Kakaos durch eigene Programme selbst in die Hand genommen. Lindt & Sprüngli etwa verfolgt das Konzept „from bean to bar“, ist also in der Herstellung von der Auswahl der Kakaobohnen bis zum fertigen Produkt selbst aktiv. Das Beschaffungsmodell nennt sich „Lindt & Sprüngli Farming Program“ und inkludiert u.a. die Vermittlung von Fachwissen an die Bauern, z.B. was Anbaumethoden betrifft, aber auch hinsichtlich sozialer Aspekte (z.B. Sensibilisierung gegenüber Kinderarbeit). Ein wichtiger Teil des Programms ist auch die Unterstützung durch sog. Farmshops für besseres Pflanzgut und Landwirtschaftsgeräte sowie die Bereitstellung von Kakaosämlingen. Überprüft wird all dies schließlich durch ein internes Kontrollsystem sowie extern durch die Earthworm Foundation.

Eigennützig.

„Ohne Kakao gibt es keine Schokolade und ohne die nächste Generation von Kakaobauern gibt es keinen Kakao“, beschreibt Daniel Bsteh, Managing Director Mondelez Österreich, die Lage und meint weiter: „Deshalb ist es für Mondelez in unserem ureigensten Interesse, für nachhaltigen Kakaoanbau zu sorgen.“ Und dies tut man bereits seit sechs Jahren im Rahmen des Programms „Cocoa Life“. Bis 2022 werden mind. 400 Mio. US-Dollar investiert, um die Lebensumstände von 1 Mio. Menschen in den Anbaugemeinschaften zu verbessern. Bis Ende dieses Jahres soll übrigens das gesamte „Milka“-Schokoladen-Sortiment in Europa auf Kakao aus nachhaltigem Anbau umgestellt werden.

Umdenken.

Auch bei Mars, einem der weltweit größten Käufer von Kakao, hat man den Ernst der Lage längst erkannt: „Wir glauben, dass eine drastische Änderung vonnöten ist, die ein Umdenken sowie ein neues Vorgehen sämtlicher Beteiligter erfordert“, so Franziska Zehetmayr, Corporate Affairs Director bei Mars Austria. Und so hat man im September 2018 unter dem Namen „Cocoa for Generations“ einen neuen Plan zur Generalüberholung der Kakao-Lieferkette vorgelegt, der Maßnahmen gegen Abholzung und Kinderarbeit sowie für höhere Einkommen der Farmer umfasst. Ein spannendes Detail: Mittels GPS-Ortung will man sicherstellen, dass der Kakao nicht in geschützten Waldgebieten angebaut wurde. „‚Cocoa for Generations‘ geht über die aktuellen Zertifizierungsnormen und verwandten Praktiken hinaus“, fasst Franziska Zehetmayr zusammen.

Geplant.

Auch Nestlé geht in Sachen Nachhaltigkeit einen eigenen Weg und hat vor zehn Jahren den „Nestlé Cocoa Plan“ ins Leben gerufen, der zur Bewältigung zentraler Probleme des Kakaos beitragen soll – aus wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Sicht. Die drei Säulen dieses Programms sind: Unterstützung für eine effizientere Kakao-Produktion (z.B. durch Verteilung von Kakaopflanzen), Verbesserung der sozialen Bedingungen (z.B. durch den Bau von Brunnen und Schulen) sowie der Einkauf von hochwertigem nachhaltigem Kakao. Bei der Umsetzung kooperiert man mit unterschiedlichen Partnern wie UTZ, Fairtrade, Fair Labor Association oder dem internationalen Roten Kreuz.

Einklang.

Ritter Sport setzt ebenfalls auf ein hauseigenes Programm, und zwar unter dem Titel „Unser Kakao“ und bemüht sich um faire Preise durch eine Kombination aus Prämien und Boni sowie feste Abnahmegarantien. Seit Anfang 2018 bezieht Ritter Sport für sein gesamtes Sortiment ausschließlich zertifiziert nachhaltigen Kakao. Das Bewusstsein für den besonderen Rohstoff Kakao will man jetzt außerdem mit der Einführung der neuen „Ritter Sport Kakao Klasse“, also Schokolade nach dem Single Origin-Prinzip, stärken.

Bedeutung.

Was die heutige Relevanz des Themas nachhaltiger Kakao bei den Konsumenten angeht, so fallen die Einschätzungen innerhalb der Branche unterschiedlich aus: „Sowohl die Kenntnis der Thematik wie auch die Bedeutung von nachhaltigem Kakao für die Kaufentscheidung schätzen wir heute als moderat ein“, meint etwa Franziska Zehetmayr, Corporate Affairs Director bei Mars Austria. Für Niemetz kommentiert GF Gerhard Schaller: „Fairer Handel boomt. Wir beobachten seit Jahren einen starken Trend zur Nachhaltigkeit.“ „Unsere Befragungen zeigen, dass das Thema nachhaltiger Kakao beim Konsumenten ein wichtiges ist“, schildert Alfred Schrott, Vorstand für Marketing & Vertrieb bei Manner. Daten dazu liefert auch die PRODUKT-Nachhaltigkeitsstudie, die wir vor wenigen Tagen zusammen mit Marketagent.com präsentiert haben: Darin gaben 31,4% der Konsumenten an, dass ihnen fair gehandelte Produkte im Bereich Süßigkeiten/Schokolade/Snacks besonders wichtig seien. Dass die Bedeutung dieses Themas weiter zunehmen wird, darin sind sich aber alle Beteiligten einig. Übrigens: Die verfügbaren Mengen nachhaltigen Rohstoffes sind derzeit noch nicht das Problem: In Westafrika konnte zuletzt etwa nur ein Drittel der Fairtrade-Ernte als solche verkauft werden. Im Sinne einer Steigerung des Anteils nachhaltigen Kakaos in der Vermarktung wäre ein verstärktes Engagement also besonders wünschenswert.

Ergänzend. Hartwig Kirner, GF Fairtrade Österreich, über die Vorteile fairen Kakaos

Es ist eigentlich ganz einfach: Genauso wie wir sollten Kakao-Produzenten für ihre Arbeit so entlohnt werden, dass zumindest die Ausgaben für Wohnen, Essen oder Gesundheitsversorgung gedeckt sind. Dass dieser Anspruch in der Realität wiederum nicht so einfach umzusetzen ist, zeigt eine aktuelle Untersuchung zur Einkommenssituation der Kakao-Produzenten in Côte d'Ivoire: Die Mehrheit der Kakao-Bauernfamilien lebt nach wie vor unterhalb der Armutsgrenze. Als direkte Reaktion darauf wird der Fairtrade-Kakao-Mindestpreis ab Oktober 2019 um 20 Prozent erhöht. Zusätzlich dazu sorgen die Fairtrade-Prämie für Gemeinschaftsprojekte sowie die verpflichtenden ökologischen und sozialen Standards für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen vor Ort. Diese positiven Effekte wirken jedoch nur, wenn die Kakaobohnen auch zu Fairtrade-Bedingungen abgesetzt werden können, das ist derzeit nur bei weniger als 50% der Ernte der Fall.

Österreich nimmt in Europa eine Vorreiterrolle ein: Im Jahr 2017 wurden 2.535 T Fairtrade-Kakao eingesetzt (+11,6%). Positive Effekte hatte die neue Option, Einzelzutaten einer Schokolade (z.B. nur Kakao, nicht aber Zucker) Fairtrade zu zertifizieren. Darüber hinaus hat sich Fairtrade als verlässlicher Partner beim Aufbau und die unabhängige Kontrolle fairer Lieferketten für Schokoladeproduzenten etabliert. Das freut uns, denn nur gemeinsam mit engagierten Unternehmen können wir echte Veränderung einer gesamten Branche bewirken.