Milky Way mit Nebenstraßen

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Milchprodukten von Kuh, Schaf und Ziege stehen im Handel mittlerweile eine ganze Reihe an pflanzlichen Alternativen gegenüber. Beide Segmente scheinen für ihre Zielgruppen unverzichtbar. Und doch gibt es einige grundlegende Unterschiede. Wir wagen einen Blick in beide Welten.

Die Kategorie der „Original“-Molkereiprodukte stand 2019 im Nielsen-Universum für Umsätze in Höhe von 2,1 Mrd. € und konnte damit gegenüber dem Jahr zuvor nochmal um 0,6% zulegen. Die große Bedeutung der Kategorie lässt sich u.a. durch ihre Vielfalt erklären: Von Trinkmilch als Grundnahrungsmittel über Joghurts, Butter und Aufstriche bis hin zu Dessert- oder Käsespezialitäten reicht die Bandbreite der Molkereiprodukte. Die Ausgangsbasis für all dies liefern freilich in diesem Fall die Milchbauern und ihre Tiere, die Molkereien sorgen für die entsprechende Veredelung der Milch. Würden die Milchbauern ihre Arbeit einstellen, hätte dies aber viel mehr zur Folge als leere Kühlregale und fehlende Umsätze. Berglandmilch-GF Josef Braunshofer: „Dies würde das Ende der Erhaltung der österreichischen Kulturlandschaft mit Wiesen, Weiden und Almen bedeuten.“ Denn die Landwirte bzw. deren Tiere sorgen bei der Verwandlung des Grünlandes in für den Menschen verwertbare Nahrung auch für ein ansprechendes Landschaftsbild, das Österreich als Urlaubsziel für Touristen aus dem In- und Ausland attraktiv macht. Der enorme Aufwand und die immense Bedeutung der Milchwirtschaft ist vielen Österreichern auch bewusst, insbesondere in besonderen Zeiten wie diesen: „Unsere Lebensmittel haben noch nie so viel Wertschätzung erfahren wie in den letzten Wochen“, meinte etwa AMA-GF Michael Blass anlässlich des diesjährigen Weltmilchtages. Die Absätze der Kategorie konnten heuer auch krisenbedingt überdurchschnittlich zulegen. Ab KW11, in die der Lockdown fiel, waren die Zuwachsraten laut RollAMA besonders hoch. Die Krise hat freilich auch aufgezeigt, wie wichtig eine gesicherte Eigenversorgung ist. VÖM-Präsident Helmut Petschar weist in diesem Zusammenhang darauf hin: „Eine gesicherte Eigenversorgung in Krisenzeiten kann nur dann gelingen, wenn die erwünschten Qualitäten auch zwischen den Krisenzeiten gekauft und dafür Preise bezahlt werden, welche die erhöhten Qualitätsanforderungen abgelten und allen Beteiligten der Wertschöpfungskette ein Einkommen zukommen lassen.“ 

Gute Güte.

Was die Qualität angeht, hat die heimische Milchwirtschaft jedenfalls gute Argumente, wie Petschar ausführt: „Gentechnikfreiheit seit über zehn Jahren, den Verzicht auf bedenkliche Pflanzenschutzmittel, den Verzicht auf Soja aus Übersee und Palmöl im Futter, die EU-weit besten Klimaschutzwerte, durchgängige Qualitätssicherungsprogramme wie das AMA-Gütesiegel, hohe Tierwohlstandards, Milchproduktion auf kleinen und mittleren Familienbetrieben sowie viele regionale Spezialprodukte wie Heumilch oder Bio-Wiesenmilch.“

Massentauglich.

Aber auch aus Sicht des Handels gibt es gewichtige Gründe, Milch den entsprechenden Platz im Sortiment einzuräumen: „Milch und Milchprodukte werden von allen Altersgruppen und fast allen Zielgruppen konsumiert“, so Andreas Gasteiger, GF SalzburgMilch. „Die Käuferreichweite bei Trinkmilch betrug letztes Jahr 95%. Pro Kopf wurden 32,4L im Jahr verbraucht“, fasst NÖM-Marketingleiterin Veronika Breyer die RollAMA-Daten zusammen. Und sie weist im selben Atemzug auf einen wichtigen Zusammenhang hin: „Mit durchschnittlich 41 Kaufakten pro Haushalt und Jahr ist Milch ein wichtiger Frequenzbringer am Kühlregal.“ Davon profitieren dann natürlich auch andere Segmente, die stark impulsgetrieben sind.

Aufgeräumt.

Rund um das sog. „weiße Gold“ sind natürlich auch viele Mythen im Umlauf. Der Verein Land schafft Leben, dessen Ziel es u.a. ist, den Konsumenten realistische Bilder und objektive Informationen rund um die Produktion heimischer Lebensmittel zu liefern, räumte kürzlich mit einigen davon auf. So weist man etwa darauf hin, dass Milch neben Eiern, Hülsenfrüchten oder Kartoffeln eine gute Eiweißquelle für den Muskelaufbau darstellt. Zu Verschleimung (wie dies in der TCM behauptet wird) soll Milch aktuellen Studien zufolge nicht führen. Einem Konsum von Milchprodukten, selbstverständlich in vernünftigen Mengen, steht aus gesundheitlicher Sicht lt. Land schafft Leben jedenfalls nichts im Wege.

Weiterentwickelt.

Zweifelsohne gibt es aber Zielgruppen oder Situationen, in denen der Konsument heute pflanzlichen Produkten den Vorzug gibt, was den sog. Milch-Alternativen in den letzten Jahren ein schönes Wachstum ermöglicht hat. Anja Grunefeld, Marketing Director DACH bei Alpro: „Der Markt der pflanzlichen Drinks und Milchalternativen hat sich über die letzten Jahrzehnte aus einer Nische heraus entwickelt und erreicht zunehmend die breite Masse.“ Sie ist überzeugt, dass diese Produkte aus dem LEH nicht mehr wegzudenken sind. „Kunden erwarten hier eine entsprechende Auswahl.“ Vom „Nice-to-have“ habe sich die Kategorie eindeutig in ein „Must-have“ gewandelt, so Grunefeld. 2019 konnte der Markt der pflanzlichen Milchalternativen hierzulande jedenfalls um 9,9% zulegen (LEH inkl. H/L, Umsatz, YTD Perioden Ende KW52/2019 vs. YA). Dies bestätigt man auch bei Upfield, in dessen Portfolio sich neben den Marken „Thea“, „Rama“ und „Becel“ seit Kurzem auch die pflanzliche Butter-Alternative „Flora Plant“ befindet. „Wir haben den österreichischen Markt, das Verhalten und die Präferenzen der Konsumenten eingehend analysiert. Daher wissen wir, dass alle Alternativen für Milchprodukte einer steigenden Nachfrage gegenüberstehen.“ Ein Beispiel: 4,3% der österreichischen Haushalte haben nach Angaben von Upfield „Flora Plant“ im letzten Jahr ausprobiert. Ein Argument, das von vielen Herstellern pflanzlicher Alternativen gerne aufs Tapet gebracht wird, ist der vergleichsweise geringe CO2-Fußabdruck, wobei zu diesem Thema durchaus kontroverse Ansichten kursieren. Eine von Upfield in Auftrag gegebene Lebenszyklusanalyse, durchgeführt von der Schweizer Beratungsgesellschaft Quantis, kommt jedenfalls zu dem Schluss, dass etwa pflanzliche Margarinen und Brotaufstriche eine um 70% geringere Auswirkung auf das Klima haben als die gleiche Menge Butter.

Flexibel.

Interessant sind pflanzliche Alternativen übrigens keineswegs nur für Veganer. Konstantin Uplegger, Prokurist der Uplegger Food Company mit Marken wie etwa „The Coconut Collaborative“: „Vegane Produkte liegen gerade bei Flexitariern und Milchreduzierern im Trend. Pflanzliche Milchalternativen sorgen für die gewünschte Abwechslung beim Verbraucher.“

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Wie geht´s weiter?

Was aber wird die Zukunft den beiden Märkten bringen? Beide haben ihre Zielgruppen, die sich ja offensichtlich durchaus auch überschneiden. Was sollte getan werden, um das jeweilige Potential in den nächsten Jahren optimal auszuschöpfen? Berglandmilch-GF Josef Braunshofer ist überzeugt, dass die Natürlichkeit der Inhaltsstoffe von Milchprodukten künftig noch stärker herausgestrichen werden sollte. Gerrit Woerle, Geschäftsbereichsleiter Strategie in der Privatkäserei Woerle, sieht das ähnlich: „Konsumenten schätzen zunehmend natürliche Produkte aus der Region, die nachhaltig und nach traditionellen Methoden hergestellt werden.“ Was auch in der Kommunikation künftig noch mehr herausgestrichen werden sollte. Außerdem ist die Branche gut beraten (und auch längst dabei), auf nachhaltigere Packaging-Konzepte umzusatteln: „Hier gilt es, Kunststoff zu reduzieren und auf Alternativen wie beispielsweise Glas zu setzen“, so Braunshofer. Auch bei der NÖM ist man der Meinung, dass die Milchwirtschaft – will man auch künftig für den Konsumenten relevant sein – den langfristigen Trends bestmöglich entsprechen sollte. Marketingleiterin Veronika Breyer: „Zwei große Strömungen werden uns bestimmt noch länger begleiten: Einerseits das Bewusstsein für Gesundheit im Sinne von ausgewogener Ernährung und Fitness und andererseits die steigenden Anforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit. Milchprodukte müssen hier entsprechen, um auch weiterhin bedeutend zu sein.“ Nora Zöller, Marketingleiterin bei Rupp, ergänzt noch einen zusätzlichen Aspekt: „Auch Qualitätsrichtlinien, wie etwa bei Heumilchprodukten, sind ein wichtiges Thema.“ Außerdem rechnet sie mit weiterhin hohem Konsumenteninteresse bei proteinangereicherten Milchprodukten sowie solchen mit Convenience-Vorteilen. Bei Woerle ist man der Meinung, dass insbesondere die Umweltverträglichkeit von Milchprodukten von steigender Bedeutung sein wird und geht deshalb von weiterem Wachstum von Heumilchprodukten aus, bei deren Erzeugung der Nachhaltigkeitsgedanke ja generell groß geschrieben wird. Last but alles andere als least wäre da noch die Thematisierung der Bemühungen rund ums Tierwohl, die die Branche sicher weiter vorantreiben muss und wird. „Das Thema Tierwohl und Tiergesundheit ist ein ganz zentrales für Konsumenten und wird auch in Zukunft eine große Rolle spielen“, ist sich SalzburgMilch-GF Andreas Gasteiger sicher.

Breiter.

Was die pflanzlichen Produkte angeht, so rechnen die Hersteller damit, dass diese die Nische, aus der sie die Fühler ja längst herausgestreckt haben, endgültig verlassen, auch aufgrund gestiegener Qualitäten. „Pflanzliche Drinks und Milchalternativen wurden stetig weiterentwickelt. Die Qualität ist inzwischen extrem hoch“, schildert Anja Grunefeld von Alpro. Die Folge: „Immer mehr Menschen kaufen unsere Produkte einfach nur, weil sie ihnen schmecken und nicht, weil sie sich auf eine bestimmte Weise ernähren müssen.“ Auch bei Upfield ist man überzeugt, dass das Segment weiter an Relevanz gewinnen wird: „Wir sehen ein deutliches Wachstumspotential für pflanzliche Lebensmittel und Produkte. Alle unsere Studien bestätigen dies“, so GM Pierluigi Pecchia.

Wunschliste.

Einig ist man sich auf beiden Seiten der Branche, dass sowohl Milchprodukte als auch deren Alternativen im Handel heute unverzichtbar sind. Nichtsdestotrotz gibt es natürlich Anregungen von Seiten der Markenartikler an den LEH, um die erfolgreiche Entwicklung der jeweiligen Kategorie zu sichern bzw. zu optimieren. Von den Mopro-Erzeugern hört man wenig überraschend vielfach den Wunsch nach einem Ende des Preiskampfs, um beste Qualität anbieten zu können und um den Fortbestand der Landwirtschaft zu sichern. Das Preisniveau der Alternativen findet man in den Molkereien „teils atemberaubend“ und würde sich gerade im Hinblick auf die Besonderheiten der heimischen Milchwirtschaft eine Annäherung der Preise von Milchprodukten an jene pflanzlicher Varianten wünschen. Ein starkes Zurückfahren der Aktionspolitik wird ebenfalls von vielen herbeigesehnt. Außerdem wird hier zuweilen bekrittelt, dass Produkteinführungen unter Herstellermarken vielerorts nur wenig Bewährungszeit eingeräumt wird, während Handelsmarken oft länger „mitgetragen“ werden. Bei den Herstellern der Milch-Alternativen wiederum wünscht man sich vor allem bessere Auffindbarkeit derselben, vorzugsweise eine Platzierung im Kühlregal oder bei der H-Milch bzw. eine vegane Blockplatzierung. Und auch den Wunsch nach Rahmenbedingungen, die jenen der Milch gleichwertig sind (etwa bei der Kennzeichnung der Inhaltsstoffe oder der Definition der Produktkategorien) haben wir im Zuge unserer Recherchen vernommen.

Aus zwei Welten.

Ein spannendes Feld also, das sich zwischen dem Original mit langer Geschichte und den aus dem Zeitgeist der letzten Jahre beflügelten Alternativen ergibt. Ohne eine der beiden kommt im Handel heute aber wohl niemand aus.