Partnerschaft mit Wert(en)

Fotocredit: © AMA-Marketing

Seit Anfang des Jahres leitet Christina Mutenthaler-Sipek als Geschäftsführerin die AMA Marketing. In unserer Landwirtschafts-Ausgabe darf natürlich ein Gespräch mit ihr nicht fehlen. Wir haben nachgefragt, wofür das AMA-Gütesiegel in der Landwirtschaft heute steht und inwieweit man sich auf das Siegel verlassen kann.

AMA-GF Christina Mutenthaler-Sipek stand uns zum Thema Landwirtschaft & AMA-Gütesiegel Rede und Antwort.

PRODUKT: Welche Bedeutung hat das AMA-Gütesiegel in der österreichischen Landwirtschaft?
Mutenthaler-Sipek:
Das AMA-Gütesiegel ist die stärkste Marke der Land- und Lebensmittelwirtschaft. Ein Drittel aller Landwirt:innen in Österreich nehmen am AMA-Gütesiegel teil und verpflichten sich freiwillig zu dessen Kriterien. Insgesamt haben wir 18 Richtlinien im AMA-Gütesiegel, z.B. für die Haltung von Kühen, für die Milchwirtschaft, für Rindfleisch, Schweinefleisch, Geflügel, Eier, Obst und Erdäpfel – und ab 2024 auch für Getreide. Je nach Bereich ist die Zahl der Teilnehmer:innen unterschiedlich hoch, aber generell ist das AMA-Gütesiegel ein Breitenprogramm, denn meiner Meinung nach hat jede:r Österreicher:in ein Recht auf gute Qualität von Lebensmitteln. Wo das rot-weiß-rote AMA-Gütesiegel drauf ist, weiß man: Die Qualität passt und die Herkunft ist aus Österreich. Mir ist wichtig, dass die Konsument:innen die Wahlfreiheit haben: Kaufe ich AMA-Gütesiegel, kaufe ich AMA-Biosiegel oder kaufe ich irgendwelche Lebensmittel, weil’s mir vielleicht egal ist.

PRODUKT: Und warum ist die Beteiligung in den verschiedenen Produkt-Bereichen unterschiedlich hoch?
Mutenthaler-Sipek:
Das liegt u.a. an unterschiedlichen Absatzwegen und es ist eine Frage von Angebot und Nachfrage. Im Fleischbereich gibt es mehr Direktvermarkter, die etwa direkt an Endkonsument:innen oder in die Gastronomie liefern bzw. spielt auch die Wurst- und Schinkenproduktion eine große Rolle. Im Rinderbereich haben wir 9.600 Betriebe, Tendenz steigend, weil es hier immer mehr vom Markt gefordert wird, dass man höhere Qualitätsstandards erfüllt. Schweinemastbetriebe hingegen werden generell immer weniger, die Anzahl an Schweinemastbetrieben innerhalb des AMA-Gütesiegels ist aber stabil. Nach Anzahl der geschlachteten Schweine betrachtet, deckt das Gütesiegel hier 50% ab. Im Milchbereich haben wir derzeit 22.500 Betriebe, wobei die Anzahl der Betriebe sinkt, sie aber tendenziell größer werden – hier findet ein Generationenwechsel statt. Kleinere Betriebe werden seltener weitergeführt. Bei der Milch ist der Wert mit 98% so außerordentlich hoch, weil die Milch ein Schüttgut ist, d.h. die Milchbäuer:innen müssen, wenn sie keine Direktvermarkter sind, an eine Molkerei liefern und benötigen dafür das AMA-Gütesiegel.

PRODUKT: Was haben die Landwirt:innen konkret davon, wenn Sie sich am AMA-Gütesiegel beteiligen?
Mutenthaler-Sipek:
Zusammengefasst: Das AMA-Gütesiegel verringert die Austauschbarkeit gegenüber Billig-Importen. Es ist ein Qualitätsdifferenzierungsmerkmal und die teilnehmenden Betriebe erhalten Qualitätszuschläge. Außerdem ist es die Zugangskarte für die Vermarktung über den Handel sowie oft notwendig, um Anerkennung für andere Systeme im Export zu bekommen. Somit garantiert es Absatzmöglichkeiten. Bei Frischfleisch aus Österreich ist das AMA-Gütesiegel oft eine Grundvoraussetzung für die Vermarktung über den Handel. Das AMA-Gütesiegel ist für Landwirt:innen die Klammer für gemeinsame Kommunikations- und Vermarktungsaktivitäten in einer Qualitätsgemeinschaft.

PRODUKT: Und welche Auflagen müssen die landwirtschaftlichen Betriebe im Rahmen des AMA-Gütesiegels erfüllen?
Mutenthaler-Sipek:
Die Landwirt:innen  unterwerfen sich je nach Produktgruppe unterschiedlichen Kriterien hinsichtlich Tiergesundheit, Tierhaltung, Futtermittel, Betriebshygiene und Produktqualität. Und sie lassen sich freiwillig auf die Einhaltung der engmaschig kontrollierten Kriterien ein. Es gibt keinen Mitgliedsbeitrag, aber die Kontrollkosten muss jede:r Landwirt:in selbst zahlen. Diese sind je nach Richtlinie unterschiedlich – als Durchschnittswert kann € 250 bis € 300 pro Kontrolle genannt werden. Betriebe, die nicht am AMA-Gütesiegel teilnehmen, werden hingegen nur durch die öffentlichen behördlichen Kontrollen überprüft, und hier liegt der Kontrollschlüssel bei nur 2 bis 3%.

PRODUKT: Wie engmaschig ist denn das Kontrollsystem im AMA-Gütesiegel?
Mutenthaler-Sipek:
Unsere Kontrollen sind grundsätzlich jährlich, werden am Vorabend aufgrund der Dokumentprüfung angekündigt und erfolgen risikobasiert, d.h. wenn in einem Betrieb über Jahre nichts zu beanstanden war, kann es sein, dass die Kontrolle ein Jahr ausgesetzt wird. Wenn es hingegen gröbere Beanstandungen gibt, folgt sehr zeitnah eine Nachkontrolle. Zusätzlich gibt es seit Jahresbeginn verstärkt Spot-audits, das heißt völlig unangekündigte Kontrollen mit Fokus auf die Tierhaltung. Wir haben heuer das Ziel, 1.000 Spot-audits zu machen und herauszufinden, ob wir Risikofälle auf diese Weise schneller identifizieren können. Was wir heuer noch eingeführt haben, ist eine Whistleblower-Funktion auf der Website, d.h. hier können Betriebe gemeldet werden, von denen man den Eindruck hat, dass etwas nicht in Ordnung ist. Diese werden dann von uns kontrolliert. Wichtig zu erwähnen ist: Wir können nur die AMA-Gütesiegel-Betriebe kontrollieren, bei anderen Betrieben können wir nur auf die Behörden weiterverweisen.

PRODUKT: Was sind die langfristigen Ziele der AMA?
Mutenthaler-Sipek:
Ein Ziel ist es, im Sinne der ständigen Qualitätssicherung und des Wandels der gesellschaftlichen Ansprüche die einzuhaltenden Kriterien zu steigern – und das mit Augenmaß. Das AMA-Gütesiegel bleibt ein Breitenprogramm. Die Kriterien entwickeln wir klar in Richtung verbesserte Tierhaltung und Nachhaltigkeitsaspekte. Fakt ist allerdings: Über 80% der Verbraucher:innen wünschen sich Tierwohl, im Fleischbereich werden jedoch nur 5% über Bio- und Tierwohlprogramme verkauft. Zwischen den Wünschen der Konsument:innen und dem tatsächlichen Kaufverhalten gibt es noch große Unterschiede. Außerdem sollen – Stichwort Partnerschaft – unsere Zukunftsdialoge weiter forciert werden, und zwar branchenübergreifend. Mit unserer aktuellen Kampagne „Wert der Lebensmittel“ können wir zum ersten Mal warengruppenübergreifend die gesamte Produktpalette kommunizieren, also z.B. Getreide, Brot, Semmeln, Nudeln, Fleisch, Gemüse, Obst und Milch. Wir stehen jetzt noch stärker für die Land- und Lebensmittelwirtschaft in ihrer Gesamtheit. Künftig ausgebaut werden sollen der pflanzliche Bereich, z.B. Getreide, und der Außer-Haus-Bereich. Wir sind bereits sehr stark im LEH vertreten, im Großhandel wollen wir die Präsenz nun aktiv vorantreiben. Außerdem forcieren wir einen Digitalisierungsschub – als Hebel für Weiterentwicklungen mit Augenmaß.

PRODUKT: Nennen Sie uns doch ein Beispiel für eine bereits erfolgreich umgesetzte Maßnahme!
Mutenthaler-Sipek:
Besonders hat mich gleich zu Jahresbeginn die erfolgreiche Umsetzung des AMA Forums gefreut, auch die extrem hohe Beteiligung bei unseren Zukunftsdialogen ist ein klarer Erfolg. In diesem Rahmen haben wir 1.632 Ideen für die Zukunft bekommen. Und auch auf unsere neue Kampagne, die gerade anläuft, bin ich sehr stolz.

PRODUKT: Und was genau sind die Inhalte der neuen Kampagne?
Mutenthaler-Sipek:
Oft ist es der Preis von Lebensmitteln, auf den die Konsument:innen zuerst achten. Wir wollen aber den Wert von Lebensmitteln herausstreichen. Mit Werten meinen wir den sozialen Wert, Landschaftswert, Selbstversorgungswert, Ernährungswert… Es ist wichtig zu zeigen, wie regionale Lebensmittelerzeugung funktioniert und wie sie erhalten wird – für unser Landschaftsbild, für unseren Wirtschaftsstandort, für den Tourismus und auch für unsere Lebensmittelversorgung. Wir haben gute Qualität, wir haben Vielfalt und wir haben eine gute Selbstversorgung – auf die müssen wir aufpassen.

PRODUKT: Apropos aufpassen: Inwieweit vertrauen die Konsument:innen nach den letzten Skandalen noch auf das AMA-Siegel?
Mutenthaler-Sipek:
Wir haben aktuell für das AMA-Gütesiegel eine Bekanntheit von 91%. Und 70% der Österreicher:innen vertrauen dem AMA-Gütesiegel. Was die Skandale der jüngeren Vergangenheit betrifft, ist ganz klar: Wir haben eine Null-Toleranz-Haltung gegenüber Gesetzesverstößen. Von 41.000 Betrieben haben wir letztes Jahr 59 aus dem AMA-Gütesiegel-Programm ausgeschlossen, da bewegen wir uns im Promillebereich. Über 99% unserer Betriebe arbeiten ordnungsgemäß und gut.

PRODUKT: Sie sind seit Anfang dieses Jahres als Geschäftsführerin der AMA-Marketing im Amt – was ist Ihr wichtigstes Learning aus dieser Zeit?
Mutenthaler-Sipek:
Wie wichtig der Austausch ist, und zwar entlang der Wertschöpfungskette und spartenübergreifend. Das ist auch der USP der AMA-Marketing: Wir sind die Plattform der Land- und Lebensmittelwirtschaft.

PRODUKT: Danke  für das Gespräch! 

Die AMA-Marketing hat rund 41.000 Betriebe im AMA-Gütesiegel-Programm, das ist ein Drittel aller landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich, und weitere rund 5.000 Lizenznehmer:innen in den AMA-Qualitätsprogrammen, darunter der Lebensmittelhandel, Molkereien, Gastronomiebetriebe etc.

Insgesamt gibt es 18 Richtlinien im AMA-Gütesiegel, etwa für die Haltung von Kühen, für die Milchwirtschaft, für Rindfleisch, Schweinefleisch, Geflügel, Eier, Obst etc. Neu ab 2024: Getreide und Marktfrüchte.

Das Kontrollsystem: Generell jährlich, jedoch risikobasiert. Im Schnitt findet alle 30 Minuten eine Kontrolle statt. Von den 41.000 Betrieben wurden im letzten Jahr 59 vom AMA-Gütesiegel-Programm gesperrt.

Lorenz Mayr, Vorstandsvorsitzender der AMA-Marketing und Christina Mutenthaler-Sipek betonen in der neuen Kampagne den Wert von Lebensmitteln.