Verschiebungen

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Die Corona-Krise hat die allermeisten heimischen Winzer stark getroffen. Die Schließung der Gastronomie und auch die Rückgänge im Export konnten natürlich generell nicht mit den gestiegenen Absätzen im LEH ausgeglichen werden.

Um die Situation kurz in Zahlen zu gießen: Rund 58% des österreichischen Weins (also 137 Mio. L) werden jährlich in der Gastronomie und bei Events abgesetzt. Durch die Schließung dieses Vertriebskanals fanden 23 Mio. L Wein keinen Absatz. Und auch die Exporte, die bis zum Lockdown stark nach oben zeigten, stagnierten in den letzten Monaten entsprechend (genaue Angaben zu den Mengen sind noch nicht verfügbar). Im LEH zog das Geschäft in diesem Zeitraum natürlich an: Rund 7% mehr Haushalte nutzten diesen Verkaufskanal und rund 17% mehr Menge als gewöhnlich konnte generell im Handel abgesetzt werden (lt. Gfk-Umfrage im Auftrag der ÖWM). Und auch wenn die Österreicher im Lockdown nicht auf ihr Gläschen verzichten wollten, ausgleichen konnte das den Verlust nicht. Chris Yorke, GF ÖWM: „Die positiven Tendenzen im LEH freuen uns natürlich und sind eine punktuelle Linderung durch die heimischen Konsumenten, denen unser Dank gilt. Sie stehen aber 23 Mio. L Wein entgegen, die keinen Absatz fanden und unsere Winzer in voller Härte treffen.“ Mit einem blauen Auge sind noch jene Betriebe davongekommen, die über ein gutes Online-Vertriebsnetz verfügen oder aber generell hauptsächlich im LEH vertreten sind. 

Verlässlich.

Österreichs größte Weinkellerei Lenz Moser, die für zahlreiche Weinbauern ein verlässlicher und wichtiger Partner ist, hatte etwa Glück. Friedrich Wimmer, Marketing: „Die Weinkellerei Lenz Moser ist, dadurch dass 80% unseres Absatzes im Lebensmitteleinzelhandel erzielt werden, nur zu einem geringen Teil von der Krise betroffen. Bezüglich des Konsums und der weiteren Entwicklung des Weinabsatzes im Zuge der Krise ist es aus heutiger Sicht nicht möglich, eine valide Aussage zu treffen.“ Aktuell freut man sich jedenfalls über den gelungenen Relaunch der „Lenz Moser Selection“-Linie. Wimmer: „Nach etwas mehr als sieben Monaten Marktpräsenz im neuen Kleid können wir nun das erste Resümee ziehen: Das neue Design trifft auf gute Resonanz bei den Konsumenten.“

Ausgleichen.

Den Wegfall der Gastronomie spürte auch Leo Hillinger: „Die Auswirkungen der Corona-Krise sind natürlich auch an unserem Betrieb nicht spurlos vorbeigegangen. Die besonders betroffene Top-Gastronomie und -Hotellerie sind jahrelange enge Partner von uns. Durch die langjährige, gute Positionierung unserer Produkte im LEH konnten wir unsere Absätze jedoch stabil halten und blicken positiv auf das weitere Geschäftsjahr.“ Weniger positiv erging es aber natürlich all jenen, die insbesondere in der Gastronomie positioniert sind. Roman Horvath, Weingutsleiter der Domäne Wachau: „Im Export sehen wir teils Steigerungen und die Bestellungen über unseren Online-Shop nach Österreich, aber auch Deutschland haben zugenommen. Der Gesamt-Umsatz-Rückgang wird jedoch dramatisch sein, da wir einen Großteil in die Gastronomie liefern. Auch wenn die Lockerungen immer umfassender werden, werden vermutlich auch wir nachhaltig betroffen sein.“ 

Neues.

Aber auch in diesen turbulenten Zeiten konnten einige neue Projekte vorangetrieben werden bzw. sich etablieren. So ist etwa die Winzervereinigung Erzherzog Johann zufrieden mit der Entwicklung der Premium-Linie „Tradition“. GF Peter Stelzl: „Das Angebot im LEH hat sich vervielfacht und insbesondere das Hochpreissegment ist stark gewachsen. Unsere „Tradition“-Linie entwickelt sich sehr gut.“ Erst seit kurzem am Markt, aber mit Elan und Potential ausgestattet ist das Weingut Georgiberg. GF Werner Stoisser: „Wir sind ein absoluter Newcomer unter den heimischen Winzern, verfügen jedoch über ein breites Produkt-Sortiment und über die Markenlizenzrechte von Schönbrunn Vienna und Kaiserin Elisabeth. In diesem Bereich planen wir auch Kooperationen mit dem LEH. Nähere Details dazu können wir jedoch noch nicht nennen.“ Auf die große Lust nach Spritzwein und den – durch die Krise auch verstärkten – Trend nach Produkten, die unkompliziert etwa bei einem Picknick genossen werden können, reagiert MT Cool Climate mit „alberto spritzer“ (siehe Produktvorstellung S. 24). Michael Thurner, GF und langjähriger Kenner der Branche: „Wir haben uns entschlossen mit einem Spritzer in der Dose genau in diesem Bereich auf den Markt zu kommen. Der Take Away-Bereich ist stark gestiegen.“ Auch Egger-Getränke reagierte auf diese Entwicklung kürzlich mit dem Launch von „Zwei Achterl“ – 0,25L Grüner Veltliner, gekeltert und produziert in Partnerschaft mit Winzer Krems, Sandgrube 13.

Und das Klima?

Da Wein ja bekanntlich von den klimatischen Bedingungen abhängig ist, kommen wir nicht umhin, die Winzer auch danach zu befragen, wie sie denn die Auswirkungen der Klimaveränderung bewerten. Und diesbezgl. ist man derzeit positiv gestimmt. Leo Hillinger: „Bis in die 2000er-Jahre gab es Jahrgänge, die schlicht nicht reif wurden. Das gibt es jetzt de facto nicht mehr. Das Gegenteil ist der Fall, die Jahrgänge reifen jetzt sehr schnell und früh. Das wirkt sich auch auf die Weine aus. Blaufränkisch ist etwa eine Sorte, bei der sich diese Entwicklung derzeit ausschließlich positiv bemerkbar macht.“ Dennoch sind aber Veränderungen im Weingarten natürlich längst an der Tagesordnung. Andreas Nittnaus vom Weingut Gebrüder Nittnaus: „Wir sind gefordert, durch passende Maßnahmen unsere Weingärten weniger empfindlich gegen Extremwetterereignisse zu machen. Bewässerung und auch ein klimagerechtes Laubwand- und Begrünungsmanagement werden stetig wichtiger. Wir widmen uns jedenfalls weiter sehr diesem Thema und sind nach den „Nachhaltig Austria“-Richtlinien zertifiziert. Und Peter Stelzl, GF Erzherzog Johann, bringt es pragmatisch auf den Punkt: „Veränderungen gehören zum Leben dazu. Die Frage ist lediglich: Wer kann sich schneller und besser anpassen?“