Zu viel des Gluten?

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Für Zöliakie-Betroffene ist es ein Muss, für jene die unter einer Unverträglichkeit oder Sensitivität leiden definitiv empfohlen: die glutenfreie Ernährung. Die entsprechenden Produkte finden auch regen Absatz – und sie stoßen vermehrt bei gesunden Verbraucher:innen auf Interesse.

Grummelt es im Bauch und macht die Verdauung Faxen, so ist es natürlich angeraten einmal zu hinterfragen, ob vielleicht das Weizenprotein Gluten etwas damit zu tun hat. Schließlich ist die westliche Ernährung quasi unvorstellbar ohne glutenhaltige Lebensmittel wie Brot, Nudeln und Pizza – der Verdacht, dem Körper auf Dauer zu viel Gluten zuzumuten, kommt da schnell mal auf. Tatsächlich verhilft vielen gesunden Verbraucher:innen eine glutenfreie Ernährung auch wirklich zu mehr Wohlbefinden. Ob der Grund jener ist, dass man sich bei einer Umstellung generell intensiver mit Lebensmitteln und Ernährungs-Routinen auseinandersetzt, weniger snackt und nahezu dazu gezwungen ist, regelmäßig frisch zu kochen – oder, ob der Körper das Fehlen des Klebereiweißes tatsächlich als Wohltat empfindet, sei dahingestellt. Fakt ist: Der Prozentsatz an Verbraucher:innen, die diagnostizierte Probleme mit Gluten haben, nimmt zu, die Umsätze des Segments wachsen allerdings noch einmal deutlich stärker. Stavroula Ekoutsidou, Leitung Alnavit: „Tatsächlich haben 70% der Käufer:innen von Frei von-Produkten nach unseren Analysen keine diagnostizierte Unverträglichkeit. Sie kaufen die Produkte, da sie diese als gesünder einschätzen und ihnen wertvollere Inhaltsstoffe zuschreiben. Käufer:innen mit Unverträglichkeiten kaufen aber natürlich deutlich häufiger und tragen demnach verstärkt zu den Umsätzen bei.“ Positiv wirkt sich glutenfrei als „Modeerscheinung“ aber allemal auf die Produkt-Vielfalt im Regal aus, was wiederum die tatsächlich Betroffenen freut. Matthias Müller-Thederan, Managing Director Dr. Schär Deutschland: „Natürlich nehmen wir wahr, dass sich viele Menschen glutenfrei ernähren, weil sie sich davon erhoffen, gesünder, schlanker oder fitter zu werden. Das wiederum hat positive Effekte für Menschen, die wirklich von glutenbedingten Stoffwechselerkrankungen betroffen sind, da es zu einer Steigerung der Nachfrage beiträgt, was schließlich zur Vergrößerung der Produktvielfalt führt. Und das wünscht sich die Zielgruppe sehr.“

Stichwort Vielfalt.

Glutenfreie Spezialprodukte fungieren im Normalfall als Ersatz zu herkömmlichen Produkten. Es dreht sich also um Lebensmittel wie Brot, Pasta, Kekse, die in der konventionellen Ausführung mit Weizen hergestellt werden. Gluten sorgt hier für ideale Bedingungen beim Backen und Binden. Ohne Gluten muss man allerdings etwas tüfteln, weiß man bei Dr. Schär. Müller-Thederan: „Unser größtes Ziel bei der Entwicklung glutenfreier Rezepte besteht darin, mit der Konsistenz und dem Geschmack des Endprodukts so nah wie möglich an das Referenzprodukt heranzukommen.“ Aktuelle Neuheiten im Dr. Schär-Sortiment sind „Gnocchi agli Spinaci“ und auch Backmischungen.

Neueinsteiger.

Komplett frisch eingestiegen in das Glutenfrei-Regal ist „Fini´s Feinstes“ mit einer Bio-Mehl-Range. Harald Lang, Marketing Leiter Fini´s Feinstes über das Potential: „Eine Marketagent-Studie aus dem Jahr 2020 zeigt, dass weniger als 1% von Zöliakie betroffen sind und ca. 12% eine Gluten-Sensitivität bei sich festgestellt haben. Doch rund ein Viertel der Menschen bekundet Interesse an bewusster Ernährung, bei der glutenfreie Gerichte eine Rolle spielen.“

Geschafft.

„Nach jahrelanger Entwicklung der speziellen Rezepturen und Planung der Produktionsstätte“, erzählt Anton Haubenberger, „sind wir besonders stolz darauf, ein derart hochwertiges Glutenfrei-Sortiment anbieten zu können.“ Gemeint sind Brote und Gebäck-Varianten, die glutenfrei und in einer absolut unkontaminierten Produktionsstätte der heimischen Bäckerei gebacken werden und die insbesondere den hohen Ansprüchen des Bäckers gerecht werden. Haubenberger: „Unser Glutenfrei-Sortiment ist alles andere als ein Ersatz. Das Motto lautet: Verwöhnt werden statt verzichten.“ 

Nachgefragt.

Hard Facts zum Markt-Potential gibt es aus dem Segment Teigwaren. Die Umsätze von glutenfreien Produkten wachsen nämlich sehr offensichtlich: Selbst nach bereits deutlichen Zuwächsen nach Pandemiebeginn bringen glutenfreie Teigwaren 2021 ein Plus von 2,4% auf die Waage. Stark gewachsen ist demnach auch die Marke „Recheis“, die in diesem Segment einen Marktanteil von 15% hat und erst kürzlich das Spezial-Portfolio um die Varianten „Fadennudeln“ und „Fleckerl“ erweitert hat. Barilla, führend bei glutenfreien Teigwaren, berichtet ebenso von einer sehr guten Entwicklung, und zwar nicht nur in Sachen Pasta, sondern auch bei der Marke „wasa“, die zum Unternehmen gehört. Matthias Spiess, GF Barilla Austria: „Glutenfreie Angebote wachsen im sonst rückläufigen Teigwaren-Markt und in der Kategorie Knäckebrot wächst das Segment sogar um mehr als 30% in Um- und Absatz.“ 

Prost, Mahlzeit.

In Sachen Platzierung ist man sich in der Branche mehr oder weniger einig und sieht sich gerne im entsprechend gekennzeichneten Regal. Christian Pöppel, Stiegl-Chefbraumeister, der stolz auf die Entwicklung eines glutenfreien Bieres ohne Einsatz von technischen Enzymen ist: „Die betroffenen Menschen haben gelernt, dass es eigene Regal-Reihen für ihre Bedürfnisse gibt, daher sehen wir uns mit unserem ‚Stiegl Paracelsus Glutenfrei‘ aktuell klar im ‚Gluten frei‘-Regal.“ Fazit: Der Markt wächst – nicht zuletzt, weil die Verbraucher:innen offen sind, diese Spezialernährung auszuprobieren. Das hilft auch denen, die die Produkte nachweislich für ihr körperliches Wohlbefinden benötigen.

Glutenfrei

Eine glutenfreie Ernährung ist für Menschen ohne Zöliakie oder Glutenunverträglichkeit nicht gesünder als eine normale, ausgewogene. Dennoch kann eine Umstellung einen positiven Effekt haben, da man dazu aufgefordert ist, seine Ernährung generell zu hinterfragen und anders zu gestalten. Gluten steckt nämlich insbesondere in kohlenhydratreichen Snacks wie Pizzen, Sandwiches oder Süßem. Für Zöliakie-Betroffene und auch für jene, die an einer Unverträglichkeit oder Sensitivität leiden, ist der Verzicht auf glutenhaltige Lebensmittel jedoch entscheidend für die Gesundheit und/oder das Wohlbefinden.